Die Macht von Facebook-Gruppen: Wie mit Facebook-Protest-Gruppen umgehen? Online-Krisen-PR auf Bewährungsprobe
Jeder kann mit einigen wenigen Klicks auf Facebook eine Protest-Gruppe eröffnen. Und auf diesem Weg äusserst einfach Gleichgesinnte zusammenführen sowie den Protest organisieren. Das mag für User ein Vorteil sein. Aber wie sollen Unternehmen mit solchen Protest-Gruppen umgehen? Einige illustrative Beispiele und ein paar Empfehlungen.
Der Artikel wurde bereits im WordPress Magazin in der Ausgabe 2/2010 publiziert (hier als PDF).
Der Fall Yogi Drink – zurück ins Ladenregal mit Facebook
Vor mehr als sieben Jahren wurde der Emmi-Yogi-Drink “Apfel” aus dem Sortiment gestrichen. Und dies obschon der Apfel-Drink Kultstatus geniesst, weil sehr viele Konsumenten in ihrer Kindheit dieses Getränk genossen haben.
Doch dann bildete sich auf Facebook eine Yogi-Drink-Fangemeinschaft – ganz ohne Zutun der Firma Emmi. Regelmässig forderten die User über Pinnwand-Einträge den Yogi Drink mit Apfelgeschmack zurück.
Emmi reagierte clever, und verhalf dem Drinks zum Comeback: Und zwar indem Emmi auf der Internetseite www.emmi-yogidrink.ch und auf den Yogi-Drinks der Geschmacksrichtung Himbeer und Mocca die Yogi-Drink-Fans dazu aufrief, sich der Facebook-Fangemeinde anzuschliessen. Emmi lancierte gar einen Facebook-Applikation, mit welcher die Fans einen „bring it back“-Button auf ihrem Profil installieren konnten. Die Botschaft: finden sich 20‘000 Fans zusammen, wird der Drink wieder eingeführt.
Ende August 2009 waren laut Emmi über 17′300 Fans registriert. Seit dem 1. September 2009 steht der “kultige” Drink wieder in den Kühlregalen des Schweizer Detailhandels. Wirklich schlau reagiert, oder?
Der Fall ÖBB – nach Facebook-Protest wird das Sommerticket billiger
Die Österreichischen Bundesbahnen verteuerten im Sommer 2008 die Studenten-Sommertickets massiv. Sie verdoppelten den Preis…
Daraufhin formierte sich auf Facebook eine Protest-Gruppe gegen die Preiserhöhung.
Die ÖBB beugten sich schliesslich dem Druck der rund 10‘000 Mitglieder starken Gruppe und lenkte schliesslich mit vergünstigten Tickets bis zum Saisonende im Rahmen eines „Schlussverkaufs“ ein.
Böse Zungen behaupten allerdings, es sei alles inszeniert gewesen. Der ÖBB wird gar unterstellt, sie habe mit dieser Aktion nur das Sommerticket ins Gespräch bringen wollen.
Der Fall Ritter SPORT Olympia Schokolade – clever reagiert
Auch bei Ritter SPORT gab es so etwas wie eine Fanrevolte. Als das deutsche Unternehmen die Schokolade „Olympia“ aus dem Sortiment nehmen sollte, kam das nicht besonders gut an. Zahlreiche Olympia-Liebhaber protestierten mit dem Anliegen, die Ritter SPORT Olympia in die Läden zurückzukriegen.
Ritter SPORT reagierte – und hat sich erst noch etwas Cleveres einfallen lassen. Statt die Olympia Produktion ohne grosses Drumherum wieder in die Läden zu bringen, eröffnete das Unternehmen zuerst einen Ritter SPORT Olympia YouTube Channel, auf welchem User eigene Olympia-Videos uploaden und bewerten lassen konnten. Geschickt wurde so der kreative Erfindungsgeist der Fans gebündelt und zu Eigenwerbung verarbeitet – innert kurzer Zeit entwickelten Ritter SPORT Fans zahlreiche innovative Werbespots für die Olympia Schokolade.
Zum besten Spot wurde das Ritter SPORT Quartett von Markus Strasser gekürt. Sehen Sie sich hier das Gewinnervideo an, das samt Nennung des Siegernamens in der offiziellen Ritter SPORT Werbung erschien (!). Auf YouTube wurde es bereits 20‘506 mal aufgerufen – ein ziemlicher Erfolg.
Übrigens wurde aus zwei weiteren einfallsreichen Fan-Videos ein offizieller Ritter SPORT Olympia zusammengeschnitten. So hat die Geschichte ein Happy End: Olympia ist zurück, die Kunden sind zufrieden und Ritter SPORT hat sich einen Namen dafür gemacht, ihren Kunden auch zuzuhören. Nicht schlecht!
Der Fall Cardinal – ohne Happy End
Der dänische Mutterkonzern von Carlsberg hat dieses Jahr beschlossen, den Herstellungsort vom Bier Cardinal nach Rheinfelden zu verlegen, wo bereits Feldschlösschen gebraut wird. Die Fribourger Arbeitsplätze werden dadurch verlagert – ein Stück Saanestädter Geschichte geht verloren.
Klar, dass sich auch hier Widerstand regte. Anders als 1996, als man noch auf den Strassen gegen die Schliessung protestierte, fand man die Gegner zunehmend im Netz. Das neunköpfige Fribourger Komittee mit dem Namen „Nein zur Schliessung von Cardinal“ gründete nach Ankündigung der Schliessung die Facebook-Gruppe „Sauvons Cardinal / Rettet Cardinal“ (und einen Twitter-Channel). Die Zahl der Sympathisanten schnellte besonders dann in die Höhe, als das Thema aktuell war und die Facebook-Gruppe in den Medien erwähnt wurde. Mittlerweile stagniert die Anzahl Likers bei 30‘500 Personen. Auf der eigenen Website www.rettet-cardinal.ch gibt Cardinal bekannt, dass man mit „allen möglichen Mitteln“ oder Verhandlungen mit eigenen, Fribourger Investoren (aus dem Volk) die Schliessung verhindern könne. In der Facebook-Gruppe wurde auch gefragt, wer zu Investitionen in Cardinal in Fribourg bereit wäre – ohne viel Feedback.
Vor einigen Tagen einigten sich Sozialpartner und die Gruppe Feldschlösschen über die Details zum Sozialplan – die Schliessung ist damit trotz Facebook-Protest-Page praktisch beschlossene Sache.
Empfehlungen – immer am Fall bleiben
Die Beispiele werfen die Frage auf, wie Unternehmen mit solchen (Facebook-) Protestgruppen umgehen können, respektive sollen. Wie so oft und leider gilt auch hier: ein Patentrezept gibt es nicht. Je nach Dynamik, Reichweite und Art des Protest muss sich auch das Verhalten eines Unternehmens von Fall zu Fall unterscheiden.
Einige Empfehlungen, wie Unternehmungen agieren könnten, finden Sie in unseren bereits publizierten Tipps zum Umgang mit Facebook-Protest-Gruppen.
Update 4.2.2011: Hier ein schönes Beispiel, wie die VZO mit einer (kleinen) Facebook Protestgruppe umgeht: Die VZO informierte eine Protest-Gruppe “15 Minuten Takt für Adetswil”.
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