Explosion von Online-Angeboten: Zersplittert unsere Gesellschaft?
Die steigende Zahl an Informationsangeboten und Online-Diensten lässt Kritiker laut werden. Der wohl Berühmteste ist Cass Sunstein, der mit seiner Theorie der “Echo-Chamers” die Angebotsvielfalt heftig kritisiert. Besonders Online-Angebote, wie Blogs und Newsportale, geraten ins Kreuzfeuer. Allerdings ist diese Annahme ein weit verbreiteter Irrtum, wie im nachfolgenden Text erläutert wird.
Die Kritik der Publikumsfragmentierung
Es scheint eine logische Schlussfolgerung zu sein: Je mehr Informationsangebote auf dem Markt sind, desto differenzierter wird die Mediennutzung. Im Gegensatz zu früher fehlt es an gemeinsam vermittelten Werten und Erfahrungen, denn Zeitungen gab es nur wenige und die Nutzung zentralisierte sich auf das bestehende, sehr geringe, Angebot. Der Vorwurf heute lautet, dass durch die Angebotsexplosion, welche vor allem Online stattfindet, der Kontakt zu Andersdenkenden immer geringer wird. Persönliche Überzeugungen der Menschen scheinen sich in unzählige Richtungen zu bewegen.
Weshalb die Vorwürfe einer Fragmentierung unbegründet sind
Studien von Webster und Ksiazek sowie anschliessende Untersuchungen der Universität Zürich zeigen auf, dass diese Annahmen nicht gestützt werden können. Es findet zwar sehr wohl eine Angebotsfragmentierung (Angebotsausweitung) statt, es können aber keine Anzeichen für eine Publikumsfragmentierung (Polarisierung der Meinungen) gefunden werden. Es zeigt sich, dass es immer noch Spitzenreiter gibt, welche von fast allen Usern konsumiert werden. Eine Angebotsausweitung heisst folglich nicht, dass sich die Konsumenten ebenfalls stark verteilen. Des Weiteren wird oft angenommen, dass mehr Medienangebot mit inhaltlicher Vielfalt gleichzusetzen ist. Auch diese These kann nicht bestätigt werden. Im Gegenteil: Es findet eine sehr grosse Überschneidung bei der Themenwahl statt. Sollten viele unterschiedliche Kanäle genutzt werden (was, wie oben erwähnt, nicht der Fall ist) haben sie trotzdem fast denselben Inhalt. Es gibt folglich weder eine Nutzungsfragmentierung noch eine Inhaltsfragmentierung.
Doch was sind die Gründe für die gleichbleibende Nutzung? Forscher erklären sich diesen Befund mit der Eigenschaft des Menschen, eine gewisse Affinität zum «Besten» zu haben. Da die grossen Anbieter oft auch die meisten Ressourcen haben, um qualitativ hochwertige Informationen zu liefern, ziehen uns diese Angebote stärker an. Ausserdem scheint der Medienkonsum stark mit sozialer Erwünschtheit in Verbindung zu stehen. Alles, was die Anderen auch lesen, liest man selber tendenziell auch gerne.
Eine Zersplitterung der Gesellschaft, welche auf aufgrund unterschiedlicher Mediennutzung zustande kommt, ist bei weitem nicht so ausgeprägt, wie es häufig dargestellt wird.
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