Blog über den Wahlkampf in den USA – Interview mit Benjamin Weinmann
Die Wochenzeitung Der Sonntag hat im Vorfeld der Wahlen in den USA einen Blog eingerichtet. Benjamin Weinmann, Redaktor der Zeitung, reist mit dem Zug quer durch Amerika und berichtet während sechs Wochen aus sechs verschiedenen Städten: San Francisco, Salt Lake City, Omaha, Chicago, Detroit und New York.
Hoi Benjamin, wo bist Du gerade?
In Chicago. Ich bin am Samstagabend mit dem Zug angekommen. Vorher war ich eine Woche in Omaha, Nebraska.
Hast Du über Chicago schon einen Post für den Wahl-Blog abgesetzt?
Über Chicago noch nicht. Ich war noch nie hier, und muss mich zuerst etwas orientieren. Deshalb habe ich gestern eine Sightseeing-Tour mit einem Bus gemacht und bin danach etwas in der Stadt rumgelaufen. Und im Tourismusbüro habe ich mir Inputs geholt. Denn ein paar Ideen habe ich natürlich schon.
Wie oft bloggst Du?
Bis jetzt habe ich 18 Blogposts geschrieben. Pro Stadt also durchschnittlich fünf, plus jeweils ein Artikel zur Reise mit dem Zug. Aber ich schreibe nicht regelmässig jeden Abend eine Geschichte. Manchmal schreibe ich auch zwei, drei Tage nichts, und dann poste ich innert 24 Stunden zwei neue Storys. Das ist ganz unterschiedlich.
Weshalb wurde für den Wahlkampf in den USA vom Sonntag ein Blog eingerichtet?
Die Chefredaktion hat sich schon vier, fünf Monate im Voraus überlegt, wie „Der Sonntag“ über die US-Präsidentschaftswahlen berichten soll. Da kam die Idee auf, jemanden aus unserer Redaktion in Baden nach Amerika zu schicken, um den Leserinnen und Lesern einen Mehrwert zu bieten, der über die herkömmliche Berichterstattung hinausgeht. Die Tageszeitungen der AZ Medien berichten unter der Woche über die aktuellen Entwicklungen im Wahlkampf. Und am Sonntag bieten wir vertiefte Hintergrundstorys. Wie denken die Leute auf dem Land über Barack Obama? Wie stark ist Mitt Romney durch seinen mormonischen Glauben beeinflusst? Diese Artikel poste ich sonntags jeweils auch in meinem Blog. Unter der Woche schreibe ich wie gesagt zahlreiche andere Geschichten, die aus Platzgründen oder vom Stil her nicht ins Blatt passen.
Werden die Posts auch über Social Media Kanäle verbreitet?
Ja. Auf der Blogseite lässt sich jeder Artikel über die gängigsten Social-Media-Kanäle weiterempfehlen: Facebook, Twitter und Google Plus. Man kann den Artikel auch direkt via Facebook kommentieren. Ich selber empfehle jeden meiner Artikel über Facebook weiter. Zwar muss ich gestehen, dass ich selber nicht auf Twitter bin. Doch dafür twittern meine Redaktionskollegen und auch Freunde von mir immer wieder mal einen Artikel von mir, was natürlich nützlich ist.
Was machst Du anders, wenn Du einen Blogpost schreibst, als wenn Du einen Zeitungsartikel schreiben würdest?
Im „Sonntag“ schreibe ich gewöhnlich Newsgeschichten mit einem klaren Aufbau: Zuerst die News und dann der Hintergrund. Beim Bloggen hingegen bin ich nicht auf eine News angewiesen. Bei der Rodeoshow in Omaha, oder beim Gottesdienst in Salt Lake City muss ich keinen Primeur finden. Ich schreibe vor allem im Reportage-Stil, mit vielen Konversationen in Dialogform. Und: Ich kann so viel schreiben, wie ich will. Ein Traum für jeden Journalisten! Obwohl Blogposts in der Regel natürlich eher kurz sind. Insofern verstehe ich aber meine Serie nicht als traditionellen Blog. Manchmal schreibe ich kurze Geschichten aus der Ich-Perspektive. Und manchmal längere, stimmige Reportagen im Magazinstil.
Was sind die Herausforderungen?
Was schreibe ich? Diese Frage muss ich mir in jeder Stadt wieder neu stellen, auch wenn ich zum Teil schon vor der Reise einige Treffen organisiert habe. Aber wenn ich dann durch die Stadt laufe und Leute treffe, mit ihnen ins Gespräch komme, entstehen die meisten Blogposts praktisch von alleine. In den USA gibt es an jeder Ecke etwas Spannendes. Und die Leute sind sehr offen, plaudern gerne und lassen sich fotografieren. Nach zwei, drei Tagen muss ich mich dann aber entscheiden, welche grössere Geschichte ich mir für den Sonntag in der Zeitung aufsparen möchte, und welche Storys ich im Blog schreibe. Dieser Prozess ist manchmal schwierig.
Was sind die Möglichkeiten?
Persönlich erlaubt mir das Gefäss Blog, längere Geschichten zu schreiben und an meinem eigenen Stil zu feilen. Und ich kann viele Bilder zeigen. Ich bin zwar kein Profifotograf und habe auch nicht die beste Kamera mit dabei. Aber einige Fotos kamen bis jetzt ganz gut raus. Und für die Zeitung ist es bestimmt eine Chance, die Leser auch unter der Woche auf unsere Webseite zu holen, und ihnen dort zusätzliche Geschichten zu den US-Wahlen zu bieten.
Wo hast du dir Tipps geholt?
Ich habe Kollegen, die in der Online-Branche arbeiten ;-). Sie haben mir die wichtigsten Dos und Don’ts erklärt. Und dann habe ich mir selbstverständlich andere Blogs angeschaut, um zu sehen, wie sie es machen. Denn das hier ist mein erster Blog.
Vielen Dank für die spannenden Einblicke. Ich wünsche Dir eine tolle Zeit in den USA und viel Erfolg mit dem Blog!
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